Im Arbeitsalltag eines Metallbaubetriebs, wo es auf handwerkliches Können, präzises Schweißen und die Montage tonnenschwerer Bauteile ankommt, wird die Dokumentation oft als lästige, unproduktive Pflicht empfunden – als „Papierkram“, der von der eigentlichen Arbeit in der Werkstatt und auf der Baustelle abhält.
Diese Sichtweise ist jedoch nicht nur veraltet, sondern auch gefährlich. Im modernen, stark regulierten Bauwesen ist eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation längst kein „Kann“ mehr, sondern ein absolutes „Muss“. Sie ist das Rückgrat der Qualitätssicherung, der entscheidende Nachweis für die Einhaltung gesetzlicher Normen und im Schadensfall die wichtigste Absicherung gegen horrende Haftungsansprüche. Weit mehr als eine administrative Last, ist eine professionelle Dokumentation ein Zeichen von Qualität und ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Das Wichtigste in Kürze
- Gesetzliche und haftungsrechtliche Pflicht: Für tragende Bauteile aus Stahl und Aluminium ist eine umfassende Dokumentation gemäß der Normenreihe EN 1090 zwingend vorgeschrieben. Fehlende Nachweise können zu Baustopps, Abnahmeverweigerungen und dem Verlust des Versicherungsschutzes führen.
- Instrument der Qualitätssicherung: Die Dokumentation begleitet den gesamten Entstehungsprozess eines Bauteils – vom Materialeinkauf über die Fertigung bis zur Endabnahme. Sie macht Qualität plan-, steuer- und nachweisbar.
- Schutzschild im Schadensfall: Eine saubere, lückenlose Dokumentation ist der stärkste juristische Beweis, dass ein Betrieb fachgerecht und normenkonform gearbeitet hat. Sie schützt das Unternehmen effektiv vor unberechtigten Forderungen.
Die rechtliche Notwendigkeit: EN 1090 und die Folgen
Der Wendepunkt für die Bedeutung der Dokumentation im Metallbau war die europaweite Einführung der Normenreihe EN 1090. Diese regelt die Anforderungen an die Herstellung und das Inverkehrbringen von tragenden Bauteilen aus Stahl und Aluminium. Jeder Betrieb, der Bauteile wie Stahlträger, Stützen, Treppen, Geländer oder Balkonkonstruktionen herstellt, muss nach dieser Norm zertifiziert sein.
Herzstück der EN 1090 ist die Pflicht zur Implementierung einer Werkseigenen Produktionskontrolle (WPK). Diese WPK ist im Grunde ein betriebsinternes Qualitätsmanagementsystem, das vorschreibt, dass alle qualitätsrelevanten Prozesse systematisch geplant, überwacht und vor allem dokumentiert werden müssen.
Am Ende des Prozesses stellt der zertifizierte Betrieb eine Leistungserklärung aus und versieht sein Produkt mit dem CE-Kennzeichen. Ohne die zugrundeliegende, lückenlose Dokumentation sind diese beiden Schritte illegal. Ein Bauteil ohne CE-Kennzeichnung darf in Europa nicht dauerhaft in ein Bauwerk eingebaut werden.
Die zentralen Bestandteile einer professionellen Dokumentation
Eine normenkonforme Dokumentation ist ein roter Faden, der sich durch das gesamte Projekt zieht. Zu den wichtigsten Dokumenten gehören:
1. Planungs- und Konstruktionsunterlagen
- Geprüfte statische Berechnungen
- Ausführungs-, Werkstatt- und Montagezeichnungen, idealerweise mit dokumentierten Freigabevermerken des Auftraggebers oder Planers.
2. Materialbeschaffung und Rückverfolgbarkeit
- Werkszeugnisse: Für jedes verwendete Stahl- oder Aluprofil muss ein Zeugnis des Herstellers vorliegen (z.B. Abnahmeprüfzeugnis 3.1 nach EN 10204), das dessen Eigenschaften bestätigt.
- Umstempelbescheinigungen: Wird ein Profil geteilt, muss die Kennzeichnung des Herstellers nachvollziehbar übertragen und dies dokumentiert werden (Rückverfolgbarkeit).
- Wareneingangsprüfung: Protokolle über die Prüfung der gelieferten Materialien.
3. Fertigungsüberwachung
- Qualifikationen: Nachweise über die gültigen Zertifizierungen der Schweißer und des Aufsichtspersonals.
- Schweißprotokolle (WPS): Schweißanweisungen, die exakt die Parameter für eine Naht vorgeben.
- Prüfprotokolle: Gegebenenfalls Protokolle über durchgeführte zerstörungsfreie Prüfungen (ZfP) von Schweißnähten.
- Protokolle der Oberflächenbehandlung: Nachweise über den durchgeführten Korrosionsschutz (z.B. Schichtdickenmessung).
4. Laufende Baufortschritts- und Fotodokumentation
Eine kontinuierliche visuelle Dokumentation des Baufortschritts und kritischer Details (z.B. Schweißnahtvorbereitung, verdeckte Anschlüsse vor dem Schließen) ist heute Standard. Sie dient als unanfechtbarer visueller Beleg für die Qualität der Ausführung und ist bei späteren Unklarheiten oder Streitigkeiten von unschätzbarem Wert.
5. Montage und Abnahme
- Montageanleitungen und -protokolle.
- Vom Auftraggeber unterschriebene Abnahmeprotokolle, die die mangelfreie Fertigstellung bestätigen.
- Übergabe der finalen Dokumentation an den Kunden, inklusive Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung.
Der Wandel zur digitalen Dokumentation
Angesichts der Fülle an geforderten Nachweisen ist eine rein papierbasierte Verwaltung ineffizient, fehleranfällig und nicht mehr zeitgemäß. Lose Zettel, unauffindbare E-Mail-Anhänge und unstrukturierte Foto-Ordner auf verschiedenen Geräten führen zu Informationssilos und erschweren eine lückenlose Nachweisführung im Haftungsfall. Die Digitalisierung ist hier kein Luxus, sondern ein entscheidender Hebel für mehr Effizienz und rechtliche Sicherheit.
Der Kern des modernen Ansatzes liegt in drei Prinzipien: Zentralisierung, Mobilität und Durchgängigkeit.
Anstatt Informationen zu streuen, werden alle projektrelevanten Daten an einem einzigen, zentralen Ort gespeichert. Dies kann ein gut strukturierter Firmenserver, eine Cloud-Lösung wie beispielsweise MemoMeister oder eine Projektplattform sein. Entscheidend ist, dass dieser zentrale Datenpool mobil zugänglich ist. Jeder Mitarbeiter, ob im Büro oder auf der Montage, muss per Tablet oder Smartphone jederzeit auf die aktuellsten Pläne, Protokolle und Materialzeugnisse zugreifen können.
Diese Durchgängigkeit der Daten vermeidet Medienbrüche und Doppelerfassungen. Ein gutes Beispiel ist die bereits erwähnte mobile Fotodokumentation: Anstatt Bilder unstrukturiert per Messenger zu versenden, ermöglichen es digitale Prozesse, Fotos direkt auf der Baustelle aufzunehmen, wo sie automatisch mit Zeitstempel im zentralen Projektordner abgelegt und dem richtigen Bauabschnitt zugeordnet werden. Ebenso verhält es sich mit dem Mängelmanagement: Anstatt Notizen auf einem Zettel zu machen, können Mängel digital erfasst, einem Verantwortlichen zugewiesen und deren Behebung transparent nachverfolgt werden.
Der Wandel von der dezentralen Zettelwirtschaft hin zu einem zentralen, digitalen Informationsmanagement spart nicht nur enorm Zeit bei der Suche und Berichterstellung. Er schafft vor allem eine transparente, chronologische und nachvollziehbare Projekthistorie, die die Grundlage für eine professionelle Qualitätssicherung und eine solide rechtliche Absicherung bildet.
Der strategische Wert der Dokumentation
Ein Betrieb, der seine Dokumentationsprozesse sauber und digital aufgestellt hat, profitiert weit über die reine Normerfüllung hinaus.
- Professionalität und Kundenvertrauen: Eine strukturierte und vollständige Übergabedokumentation ist ein starkes Verkaufsargument und signalisiert dem Kunden höchste Professionalität.
- Haftungsabsicherung: Im Streitfall, der oft erst Jahre nach der Abnahme auftritt, ist eine lückenlose Dokumentation die beste Versicherung. Sie beweist, dass nach den anerkannten Regeln der Technik gearbeitet wurde.
- Wissensmanagement und Effizienz: Die Dokumentation vergangener Projekte wird zu einer wertvollen Wissensdatenbank. Sie hilft, zukünftige Projekte besser zu kalkulieren und aus vergangenen Herausforderungen zu lernen.
Fazit
Im modernen Metallbau ist eine systematische Dokumentation unausweichlich. Sie ist die gesetzliche Eintrittskarte, um am Markt für tragende Bauteile überhaupt teilnehmen zu dürfen. Doch Betriebe, die die Dokumentation nur als notwendiges Übel betrachten, vergeben eine große Chance. Eine professionell geführte, digitale Dokumentation ist ein aktives Werkzeug zur Steuerung der Qualität, zur Absicherung gegen Haftungsrisiken und zur Steigerung der eigenen Effizienz. Sie ist ein starkes Argument im Kundengespräch und ein klares Zeichen für Professionalität und Zuverlässigkeit.

